Der Mythos vom Messepreis
Die alternative Version von „Warum ist das so teuer?“
Seit ich zum ersten Mal auf einer Tattoo Convention war, begegnet er mir regelmäßig: der Messepreis.
Meistens werde ich von potentiellen Kunden darauf angesprochen, warum denn das Tattoo „so teuer“ sein soll (ja ja, alter Hut) und weshalb ich keine Messepreise anbiete. Wenn ich dann lächele und sage dass ich genau das mache, ernte ich irritierte Blicke.
Normalerweise arbeite ich im Studio. Dort muss ich zusehen, dass meine Preisbildung angemessen ist, das heißt dass sie die Fixkosten abdeckt und am Ende noch etwas für mich zum Leben übrigbleibt.
Auf einer Tattoo Messe oder Convention ist das genauso – nur dass zu den normalen Kosten noch etwas hinzukommt. Denn die Veranstalter lassen uns nicht aus reiner Freundlichkeit dort tätowieren, sie machen ihren Job und wenn man seinen Job macht möchte man damit Geld verdienen.
Der Veranstalter kümmert sich also um alles was nötig ist um eine Convention zu veranstalten und die Tätowierer, die dort arbeiten möchten, mieten einen Stand bei ihm.
Hallo, ich bin Tattoomodel…
Natürlich verbrauchen wir auch beim Tätowieren auf einer Convention unser Material, aber Standmiete, Anfahrts- und Hotelkosten, Verpflegung, Werbematerial wie zum Beispiel Banner, Dekoration für den Messestand, eventuell Unterkunft und Verpflegung für Helfer am Stand, das sind alles Dinge für die wir im Studio nicht bezahlen.
Deshalb setzt sich ein Messepreis für gewöhnlich anders zusammen und ist kein Synonym für „besonders günstig“ oder gar umsonst. Ja, auch dieser Irrtum geistert durchs Internet. Ich denke kaum ein Tätowierer hat noch nie eine Anfrage erhalten die grob lautete:
„Hallo ich würde mich als Model anbieten und mich auf der Messe XY von dir tätowieren lassen. Anfahrt und Eintritt zahle ich selbst.“
Abgesehen davon, dass professionelle Models solche Anfragen nicht stellen, handelt es sich bei uns Tätowierern auch immer noch um Dienstleister. Auch wenn ich meinen Job wirklich liebe – so reich dass ich meine Arbeit nur zum Spaß oder für ein paar Siegerpokale in irgendeinem Contest mache, bin ich leider noch nicht.
Was für unter 50€
Ich möchte auf keinen Fall unverschämte Preise rechtfertigen. Es ist nur einfach so, dass es irgendwann wirklich nervt, wenn man auf Veranstaltungen vom x-ten Menschen angesprochen wird, ob man „auch was zum Messepreis“ – „was für unter 50€“ – „was umsonst“ sticht.
Nein!
Macht man nicht!
Und das ist voll okay.
Im Übrigen würde man sich bei den Kollegen damit auch überhaupt keine Freunde machen. Es gibt kaum etwas asozialeres, als die Preise vom Nachbarstand unterbieten zu wollen, weshalb mittlerweile schon einige Veranstalter darauf hinweisen, dass es einen Mindestpreis gibt, den man auch für kleine Tattoos verlangen muss. Es handelt sich schließlich immer noch um eine Tätowierung mit allem drum und dran, wie klein sie auch sein mag.
Ist Convention nicht voll unhygienisch?
Die Frage ist in meinen Augen berechtigt. Im Studio geben wir uns die größte Mühe, möglichst perfekte Rahmenbedingungen für hygienisch saubere Arbeit bieten zu können. Und das ist sehr wichtig und richtig.
Auf einer Tattoo Convention sind die Bedingungen weitaus schwieriger – es ist enger, lauter, überall sind Menschen und manchmal liegt gar Teppichboden in der Halle oder nebenan findet zeitgleich ein Street Food Festival statt und die Rauchschwaden aus den Smokergrills ziehen langsam durch den Raum. Alles schon erlebt.
Natürlich ist sowas nicht optimal. Ein professioneller Tätowierer achtet aber trotzdem auf einen sauberen Arbeitsplatz und darauf, seinen Kunden richtig aufzuklären. Nicht umsonst schleppen wir all die Desinfektionsmittel, Einwegmaterial und dergleichen mit zur Messe. Ich habe es mehrfach erlebt, dass Veranstalter im Vorfeld den Gebrauch von Mehrwegmaterial, wie zum Beispiel Griffstücke aus Metall, die nach der Verwendung wieder in einem komplizierten Verfahren steril aufbereitet werden, strikt untersagen und während der Veranstaltung kontrollieren.
Am Ende des Tages bleibt es natürlich dem Kunden überlassen, verantwortungsvoll mit seinem Körper und dem frischen Tattoo umzugehen. Für mich noch ein Grund, mit Wundfolie zu arbeiten. Diese schützt die frische Tätowierung zusätzlich vor Verunreinigung von außen und somit vor Entzündungen.
Alternativ vielleicht doch was Cooles?
Generell hilft es auf einer Convention genau wie im Tattoostudio, wenn man sich vorher darüber im Klaren ist was man eigentlich möchte. Es grenz die Auswahl ein und hilft dabei, sich schneller für einen Tätowierer und ein Motiv entscheiden zu können.
Der Preis sollte hierbei kein Hauptkriterium sein, aber die meisten Tätowierer bringen ihre Wannados mit zu einer Convention. Dies sind Motive, die dem favorisierten Stil des jeweiligen Tätowierers entsprechend und sie sind oft zu etwas günstigeren Preisen zu haben. Das tolle daran ist, dass man auf jeden Fall ein hübsches Unikat bekommt. Außerdem hat der Künstler garantiert mehr Freude an der Arbeit, als bei der Kopie des dreißigsten Pinterest-Tattoos. Ich sage nicht, es ist grundsätzlich falsch die zu stechen – ich sage nur es macht weniger Spaß.
Individualität zahlt sich hier also doppelt aus.
Zudem kann man viele Studios schon vor einer Convention fragen und so in Erfahrung bringen, ob der gewünschte Tätowierer anwesend ist und ob Termine für die Messe gemacht werden können.
Ich rate jedem der sich auf einer Convention tätowieren lassen möchte grundsätzlich sich vorher gut zu informieren, nicht zu schnell die Nerven zu verlieren, sich ausreichend mit Getränken und Essen zu versorgen, etwas Wartezeit mitzubringen und den Tätowierer nicht nach einem „Messepreis“ zu fragen.